Europas Vielfalt verteidigen

Die Vorstellung von einem Krieg in Europa schien seit einem halben Jahrhundert wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Wir haben uns sicher und unangreifbar gefühlt, mit dem Glauben, Krieg sei ein Phänomen, das nur in fernen Regionen der Welt stattfindet. Jahrzehntelang setzten wir auf „Frieden durch Handel“ und glaubten damit, jegliche Spannungen zu lindern und Despoten und Diktatoren damit befrieden zu können. Doch dann fielen plötzlich Bomben auf Kiew. Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat mein Denken über Verteidigungspolitik auf den Kopf gestellt. Nur zwei Flugstunden von Berlin entfernt findet jetzt in diesem Moment ein brutaler Angriffskrieg statt.

Selbst wenn dieser Krieg morgen enden würde, hat er unser Zusammenleben in Europa nachhaltig verändert. Er hat uns gezeigt, dass wir nicht unantastbar sind. Besonders in Deutschland wurde in den letzten Jahren die Verteidigung und der Umgang mit der Bundeswehr vernachlässigt. Hier ist ein Umdenken unabdingbar.

Die Stärke Europas hat stets in der Zusammenführung unserer unterschiedlichen Potenziale gelegen. Nur gemeinsam können wir uns vor möglichen Angriffen schützen, daher benötigen wir eine neue wirksame Verteidigungsstrategie, die auf gemeinsamen Zielen und Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten basiert.

Verteidigung darf nicht länger lediglich ein Geschäftsfeld der Waffenlobby sein. Daher ist es notwendig, Leitlinien zu erarbeiten, welche die Überwachung und Regulierung der Unternehmen sicherstellen. Der Verkauf und die Herstellung von Waffen müssen sorgfältig protokolliert und kontrolliert werden. Lobbyisten sehen in Kriegen häufig die Chance auf lukrative Geschäfte. Doch das Leid und der Tod von Menschen dürfen niemals zum Gegenstand von Profitstreben werden. Das EU-Parlament muss daher größeren Einfluss auf die Gremien nehmen, die derzeit von den Vertretern der Waffenlobby kontrolliert werden.

Die Bundeswehr benötigt die Unterstützung der Politik, um den Herausforderungen, die auf uns zukommen, gewachsen zu sein.

Die NATO, aus der Perspektive der Verteidigung Deutschlands und der EU, ist das zentrale Bündnis und darf nicht ständig infrage gestellt werden. Es liegt an uns, die Lektionen aus der aktuellen Krise zu ziehen und konstruktive Schritte zur Sicherung unserer gemeinsamen europäischen Zukunft zu unternehmen. 

Die Ukraine benötigt unsere Solidarität und Unterstützung. Dies gilt für die Zivilgesellschaft, der wir Schutz und Sicherheit bieten müssen, wenn sie gezwungen ist, vor dem Krieg zu fliehen. Dies gilt aber auch für die Streitkräfte der Ukraine, die sich auf unsere Waffen, Munition und Ausbildung verlassen können müssen.